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Aktuelles

Gegen das Vergessen - die Portraits von Holocaustüberlebenden von Luigi Toscana und Erinnern für morgen – eine Theaterperformance des Stuttgarter Theaters Lokstoff

Fünf Klassen der JPPS konnten am 14.10.25 die Veranstaltung der internationalen Woche in Schorndorf in der Bibliothek besuchen. Zwei der überlebensgroßen Portraits der Ausstellung stehen vor der Bücherwand – zwei Frauen, beide weit über 80 Jahre alt, schauen das Publikum an. Zu jeder stellt sich ein Laienschauspieler und erzählt autobiografisch orientierte Texte, teilweise im Originalton des Interviews, das Toscana mit jedem und jeder der insgesamt mehr als 80 von ihm Portraitierten geführt hat.

„Und ich war elf“, erzählt Amira Gezow, „meine Puppe hab‘ ich vergessen und das hat mir sehr wehgetan. Aber meine schönen Schuhe, meine schönen schwarzen Lackschuhe, hab ich doch angezogen.“ Das Gefühl des Abschiednehmens von einem schönen Kinderleben. Im Lager Gurs in den französischen Pyrenäen kam ihre Familie nach langer Fahrt in Güterwagons an. „Ich sah nichts. Es war finster. Die Menschen waren wie Silhouetten. Und das erste, was mir passiert war: ein Lackschuh blieb im Schlamm stecken. Ich hatte nur noch einen Schuh. Männer und Frauen wurden getrennt.“

Eva Fahidi kommt als 18-Jährige nach Auschwitz. „Auf der Rampe von Birkenau-Auschwitz war meine Jugend vorbei.“ Aber Eva Fahidi kehrte dorthin zurück, nach Auschwitz, in hohem Alter und freiwillig, besichtigte diesen Ort, kam heim, wie sie sagte, weil dort die Asche so vieler Familienmitglieder im Sumpf verstreut worden war. Und fragte sich dort, wie von dem Grauen, der Leere, der Unmenschlichkeit nichts sichtbar geblieben ist: „Was kann dieser Ort, der mir jetzt nichts sagt und der nichts wiedergibt von dem, was damals war, denn einem Außenstehenden bedeuten? […] Wie kann man heute Auschwitz-Birkenau erklären, wenn Nichtbetroffene nach dem Unbegreiflichen fragen? Wenn sie versuchen, das Unfassbare zu fassen?“

Heute bedeckt die Natur Auschwitz, Gras wächst dort, wo einst kein Grashalm wachsen konnte, deckt das wahre Auschwitz zu. Und weil das „Unfassbare“ nur von denen, die das wahre Auschwitz erleben mussten, erinnert werden kann, hat sie als alte Frau zu erzählen begonnen - mit 97 Jahren ist Ewa Faridi 2023 gestorben.

Im Publikum bleibt jeder und jede für sich, Kopfhörer bringen die Texte exklusiv in jeden Kopf. Das wirkt. Und diese Texte wirken nach.

In der nachfolgenden Inszenierung von Franck Pavloffs Brauner Morgen wird wie im Zeitraffer das nachgestellte Braun- (oder Blau-?) Werden einer Gesellschaft gezeigt, die erst zu spät im Ausgeliefertsein die eigene Verstrickung und Schuld erkennt. Die Möglichkeit einer persönlichen Betroffenheit.

Diese Betroffenheit ist dem jungen Publikum anzumerken – es bleibt leise beim Verlassen der Bibliothek.